Seit ca. zwei Jahren sind Beratungsprotokolle über Anlageberatungen gesetzlich vorgeschrieben. Doch in 20 % der Fälle hätten die Geldinstitute ihren Kunden ein Beratungsprotokoll nicht ausgehändigt, wie Verbraucherschützer feststellen. Testkäufe haben außerdem ergeben, dass kein einziges Protokoll die notwendigen Angaben über Vermögensverhältnisse, Anlage, Ziele und Risikobereitschaft der Verbraucher vollständig darstellt.
Genau das musste ich auch feststellen bei der Beratung eines Mandanten: Das von der beratenden Bank erstellte Beratungsprotokoll hat in wesentlichen Punkten kein angemessenes Bild der Erfahrung einerseits und der Anlageziele des Mandanten andererseits gegeben. Nachdem auch die zweite Version irreführend war, habe ich meinem Mandanten empfohlen, handschriftliche Ergänzungen an den Stellen vorzunehmen, wo die vorgegebenen Antwortmöglichkeiten keine ausreichende Wahl bieten. Zusätzlich haben wir außerdem die Anlageziele des Mandanten handschriftlich zusammenfassend ergänzt.
Was aber, wenn mein Mandant nicht beraten gewesen wäre? – Er hätte das Protokoll entweder ungelesen unterzeichnet im Vertrauen darauf, dass seine Angaben korrekt niedergelegt wurden. Oder er hätte das Protokoll zwar gelesen, aber als Laie in Anlagefragen die Bedeutung nicht einschätzen können.
Und die Auswirkungen sind nicht gering: Mit den ursprünglich durch die Bank angekreuzten Antworten hätte die Bank die Möglichkeit gehabt, dem Kunden weitere – und zwar von seinen tatsächlichen Anlagezielen abweichende – für die Bank provisionsträchtige, für den Kunden aber riskante Produkte zu verkaufen. Dem wurde durch meine Empfehlung der Riegel vorgeschoben.
Unterstellen wir jedoch nicht, dass vonseiten der Bank bewusst falsche Angaben angekreuzt wurden! Es kann jedoch vorkommen, dass die von der Bank in dem Protokollformular vorgegebenen Alternativen einfach nicht auf die individuelle Situation passen! Und ebenso ist es möglich, dass Missverständnisse zwischen Banker und Kunde entstanden sind, die in zwei völlig unterschiedlichen Anlagewelten leben und schon längst – häufig gegenseitig – nicht mehr einschätzen können, was der andere meint und welches seine Ziele sind. Dagegen ist zwar kein Kraut gewachsen. Aber es hilft, eine neutrale und unabhängige Beratung – wie wir sie bieten – hinzuziehen, um die echten und ganz individuellen Ziele von Ihnen, unseren Mandanten, zu erforschen. Und dann auch gegenüber dem (Bank-) berater klarzustellen.
(FAZ,08. März 2012, Seite 21)