Gründungszuschuss soll gekürzt werden


Wie bereits seit län­ge­rem bekannt ist, plant das Bun­des­mi­nis­te­rium für Arbeit und Sozia­les (BMAS) im Rah­men der Spar­maß­nah­men ab dem 01.11.2011 Neu­re­ge­lun­gen beim Grün­dungs­zu­schuss – genauer gesagt: mas­sive Erschwe­run­gen und Kür­zun­gen.

Noch ist nicht end­gül­tig dar­über ent­schie­den, denn viele Grün­dungs­be­ra­ter, dar­un­ter auch ich selbst, haben mas­siv gegen diese Kür­zungs­maß­nahme pro­tes­tiert. Der Grün­dungs­zu­schuss ist eines der weni­gen äußerst erfolg­rei­chen Pro­gramme der Agen­tur für Arbeit! Und gerade hier sol­len Ein­schnitte vor­ge­nom­men wer­den? – Abstrus!

Den­noch: Alle, die pla­nen im nächs­ten hal­ben bis drei­vier­tel Jahr zu grün­den, soll­ten sich dar­auf ein­stel­len, dass diese Ver­schlech­te­run­gen Rechts­kraft erhal­ten kön­nen. Geplant sind fol­gende Rege­lun­gen:

  1. Arbeits­lose müs­sen in Zukunft mög­li­cher­weise noch einen Rest­an­spruch von min­des­tens 150 Tagen Arbeits­lo­sen­geld haben, statt wie bis­her 90 Tage, um den Grün­dungs­zu­schuss erhal­ten zu kön­nen.
  2. Bis­her erhiel­ten Grün­der den Grün­dungs­zu­schuss für 9 Monate. In Zukunft soll er nur noch für 6 Monate gezahlt wer­den, zzgl. € 300 für Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­träge.
  3. In der zwei­ten Phase kann der Grün­der dann wei­ter­hin € 300,00 pro Monat für Ver­si­che­rungs­bei­träge erhal­ten. Diese Phase soll von sechs auf neun Monate aus­ge­wei­tet wer­den.
  4. Bis­her bestand ein Rechts­an­spruch auf Grün­dungs­zu­schuss. In Zukunft soll es sich um eine Ermes­sens­leis­tung han­deln.

Beson­ders absurd ist diese Neu­re­ge­lung ange­sichts der Tat­sa­che, dass nach mei­nen Erfah­run­gen eine Grün­dung sehr häu­fig zwei bis drei Jahre benö­tigt, bis das Unter­neh­men sta­bil am Markt eta­bliert ist. Auf die­sem Hin­ter­grund wäre eine Ver­län­ge­rung der Bezugs­dauer von Grün­dungs­zu­schuss ange­mes­sen, nicht eine Kür­zung! Es bleibt abzu­war­ten, ob das Minis­te­rium von den mas­si­ven Ein­sprü­chen bewegt wer­den kann, diese Ent­schei­dun­gen zu über­prü­fen. Aktu­elle Infor­ma­tio­nen hierzu lie­gen uns bis heute lei­der nicht vor.

Es war vor­ge­se­hen, das Gesetz im Geset­zes­blatt für September/​Oktober 2011 zu ver­öf­fent­li­chen. Die Neu­re­ge­lung soll bereits am Tag danach gel­ten.

Jedem Grün­der ist des­halb drin­gend zu emp­feh­len, seine per­sön­li­che Situa­tion am bes­ten zusam­men mit sei­nem Steu­er­be­ra­ter und mit sei­nem Bera­ter beim Arbeits­amt zu über­prü­fen und bei Bedarf noch kurz­fris­tig – vor Geset­zes­än­de­rung – sein Unter­neh­men durch Gewer­be­an­mel­dung zu grün­den bzw. seine frei­be­ruf­li­che Tätig­keit auf­zu­neh­men – und natür­lich vor­her den Grün­dungs­zu­schuss zu bean­tra­gen!

10.08.2011

GRÜNDUNG-​​AKTUELL 32 /​ 2011 – 24.05.2011

Kahl­schlag bei Exis­tenz­grün­dungs­för­de­rung

Unter­stüt­zen Sie unse­ren Auf­ruf!

Die Regie­rung plant einen Kahl­schlag bei der Grün­dungs­för­de­rung. Der Grün­dungs­zu­schuss soll ab 1. Novem­ber 2011 stark ein­ge­schränkt und das Bud­get um fast 80 Pro­zent gekürzt wer­den. Zusam­men mit ande­ren Exis­tenz­grün­dungs­ex­per­ten hat Dr. Lutz (gru​en​dungs​zu​schuss​.de) den fol­gen­den E-​​Mail-​​Text for­mu­liert, den er am Mitt­woch­abend oder Don­ners­tag die­ser Woche an sämt­li­che Mit­glie­der des Bun­des­tags­aus­schus­ses für Arbeit und Sozia­les sen­den will. Wir sehen darin eine der weni­gen Chan­cen, eine ratio­nale, fach­li­che Dis­kus­sion und Über­prü­fung des Geset­zes­vor­ha­bens zu errei­chen. Gerne wür­den wir Sie als Mit­zeich­ner auf­neh­men!

Bitte ant­wor­ten Sie kurz, ob wir Sie auf­neh­men dür­fen und wenn ja, mit wel­cher Fir­men­be­zeich­nung und wel­chem Ort (also z.B. „Dr. Andreas Lutz, gru​en​dungs​zu​schuss​.de, Mün­chen“). Dr. Lutz nimmt dann alle auf, die bis zum Ver­sand­zeit­punkt ihre Zustim­mung gege­ben haben. Die E-​​Mail sol­len anschlie­ßend auch im

gruendungszuschuss-​​Newsletter ver­öf­fent­licht wer­den.

– Hier nun der Mail­text:

An die Mit­glie­der des Bun­des­tags­aus­schus­ses für Arbeit und Sozia­les

Betreff: Kahl­schlag bei Exis­tenz­grün­dungs­för­de­rung /​ Appell: Bitte zie­hen Sie die­ses Thema im Aus­schuss

für Arbeit und Sozia­les an sich!

Sehr geehrte…,

wir schrei­ben Ihnen als Mit­glied des Aus­schus­ses für Arbeit und Sozia­les. Die Unter­zeich­ner sind unab­hän­gige Exper­ten, die sich in ganz unter­schied­li­chen Berei­chen seit Jah­ren mit dem Thema Exis­tenz­grün­dung beschäf­ti­gen.

Uns eint die Sorge und das Unver­ständ­nis, dass im Rah­men des „Geset­zes zur Leis­tungs­stei­ge­rung der arbeits­markt­po­li­ti­schen Instru­mente“ (jetzt: „Gesetz zur Ver­bes­se­rung der Ein­glie­de­rungs­chan­cen am Arbeits­markt“) aus­ge­rech­net eines der wirk­sams­ten Instru­mente der Arbeits­markt­po­li­tik abge­baut wer­den soll. Die bei der Bun­des­agen­tur für Arbeit bis 2015 geplan­ten 7,5 Mrd. Euro Ein­spa­run­gen gehen ganz über­wie­gend zu Las­ten des Grün­dungs­zu­schus­ses (GZ), die Aus­ga­ben dafür sol­len um 78 Pro­zent (!) gekürzt wer­den.

Wir kön­nen es nicht bes­ser zusam­men­fas­sen als Staats­se­kre­tär Dr. Bernd Pfaf­fen­bach vom BMWi in sei­ner Stel­lung­nahme zum Gesetz: „Diese ein­sei­tige Maß­nahme ist wirt­schafts– und arbeits­markt­po­li­tisch frag­wür­dig. Bei der För­de­rung der Selb­stän­dig­keit han­delt es sich um ein erfolg­rei­ches Instru­ment, das nicht nur einen viel ver­spre­chen­den Weg aus der Arbeits­lo­sig­keit auf­weist, son­dern – wie vom IAB für die Vor­gän­ger­in­stru­mente nach­ge­wie­sen – auch zusätz­li­che sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tige Beschäf­ti­gung schafft.“

Die Kür­zun­gen sind auch inner­halb der Regie­rungs­ko­ali­tion umstrit­ten; die Fach­ebene in den Minis­te­rien ist sich unse­res Wis­sens einig in der Ableh­nung des Geset­zes; BA-​​Vorstandsvorsitzender Frank-​​Jürgen Weise, IAB-​​Direktor Prof. Joa­chim Möl­ler und DIW-​​Forschungsdirektor Prof. Alex­an­der Kri­ti­kos haben sich öffent­lich gegen die Kür­zun­gen aus­ge­spro­chen. Trotz­dem wurde bis­her in der Öffent­lich­keit die Trag­weite des Geset­zes­vor­ha­bens, das einen Kahl­schlag in der Grün­dungs­för­de­rung bedeu­tet, nur unzu­rei­chend dis­ku­tiert.

Nach unse­ren Infor­ma­tio­nen hat sich der Aus­schuss für Arbeit und Sozia­les bis­her nicht mit die­sem Vor­ha­ben befasst. Unser Appell: Zie­hen Sie das Gesetz-​​gebungsverfahren an sich und bera­ten Sie die geplan­ten Ände­run­gen. Wir sind der Über­zeu­gung, dass Sie par­tei­über­grei­fend zu dem Ergeb­nis kom­men wer­den, dass das Geset­zes­vor­ha­ben in die­ser Form dem Arbeits­markt und der Wirt­schaft Deutsch­lands mas­siv scha­det.

In aller Kürze zum Hin­ter­grund des Geset­zes­vor­ha­bens:

  • · Abschaf­fung des Rechts­an­spruchs auf GZ, Umwand­lung in
    Ermes­sens­leis­tung
  • · Zugleich Kür­zung des jähr­li­chen Bud­gets von 1,8 Mrd. Euro auf 400
    Mio. Euro (!)
  • · Kür­zung der ent­schei­den­den ers­ten Phase des GZ von neun auf sechs
    Monate
  • · Ver­län­ge­rung des bei Grün­dung erfor­der­li­chen Rest­an­spru­ches auf
    Arbeits­lo­sen­geld I von 90 auf 180 Tage
  • · Die Kür­zun­gen sol­len am 1.11.2011 ohne Über­gans­re­ge­lun­gen in Kraft
    tre­ten
  • · Mit fol­gen­den Aus­wir­kun­gen ist zu rech­nen:
  • · Mas­si­ver Rück­gang des Grün­dungs­ge­sche­hens in Deutsch­land. 39
    Pro­zent der Grün­dun­gen erfol­gen aus der Arbeits­lo­sig­keit, 35 Pro­zent
    mit Hilfe des GZ.
  • · Der ohne­hin his­to­risch nied­rige Grün­dungs­saldo in Deutsch­land
    (Exis­tenz­grün­dun­gen ./​. Liqui­da­tio­nen) wird stark nega­tiv wer­den;
    Deutsch­land wird in inter­na­tio­na­len Ver­glei­chen wei­ter zurück­fal­len
  • · Nega­tive Aus­wir­kun­gen auf den Arbeits­markt: 2010 haben sich mit
    dem GZ 146.500 Grün­der selbst einen Arbeits­platz geschaf­fen. In der
    Folge ent­ste­hen nach Berech­nun­gen des IAB pro Grün­der
    durch­schnitt­lich 0,7 zusätz­li­che Arbeits­plätze (102.500). Diese rund
    250.000 neuen Arbeits­plätze pro Jahr sind durch die Geset­zes–
    ände­run­gen gefähr­det.
  • · Die Exis­tenz­grün­dun­gen erfol­gen künf­tig unter erheb­li­chem Druck: Eine
    kür­zere Vor­be­rei­tungs­zeit führt zu qua­li­ta­ti­ven Ein­bu­ßen, außer­dem
    müs­sen die Grün­der den Break-​​even drei Monate frü­her errei­chen, was
    sehr viel häu­fi­ger zu einem Schei­tern füh­ren wird.
  • · Zöger­li­che Grün­der erken­nen die Selb­stän­dig­keit erst dann als
    Alter­na­tive, wenn es für eine För­de­rung zu spät ist. Sie ver­blei­ben in
    der Arbeits­lo­sig­keit und rut­schen in den Arbeitslosengeld-​​2-​​Bezug.
  • · Andere Grün­dungs­wil­lige neh­men auf­grund feh­len­der Pla­nungs–
    sicher­heit Abstand von ihrer­Grün­dung und ver­blei­ben eben­falls län­ger
    in der Arbeits­lo­sig­keit, wodurch die Kos­ten ledig­lich­ver­la­gert wer­den.
  • · Die Aus­ge­stal­tung der Geset­zes­än­de­run­gen führt dazu, dass junge
    Men­schen, Frauen und Migran­ten beson­ders von den Kür­zun­gen
    betrof­fen sein wer­den (vgl. Stel­lung­nahme des Ver­bands­Deut­scher
    Grün­dungs­in­itia­ti­ven)
  • · Der GZ spielt eine wich­tige Rolle bei der Kofi­nan­zie­rung von ESF
    Mit­teln. Durch die Ein­spa­run­gen beim GZ könnte es zur Redu­zie­rung
    von EU-​​Mitteln zu Las­ten des deut­schen Arbeits­mark­tes kom­men.

 

Wenn diese Aus­wir­kun­gen ein­tref­fen, womit nach Ein­schät­zung der Fach­leute zu rech­nen ist, stellt sich die Frage, ob unter dem Strich über­haupt Ein­spa­run­gen erzielt wer­den. Die ursprüng­li­che Inten­tion des Geset­zes­vor­ha­bens, den arbeits­markt­po­li­ti­schen Werk­zeug­kas­ten um inef­fek­tive Instru­mente zu berei­ni­gen, sollte wie­der in den Mit­tel­punkt gestellt wer­den (vgl. aktu­el­ler IAB-​​Kurzbericht 11/​2011: „Arbeits­markt­in­stru­mente auf dem Prüf­stand“). Ange­sichts der Bud­get­kür­zun­gen von 78 Pro­zent besteht die Gefahr, dass bei Ein­füh­rung von Ermessens-​​entscheidungen nach will­kür­li­chen Maß­stä­ben ent­schie­den wird, um aus­rei­chend Ableh­nungs­gründe zu schaf­fen. Die Aus­wahl der geför­der­ten Grün­dungs­vor­ha­ben sollte aber nach der Qua­li­tät der Vor­ha­ben erfol­gen. Die Ein­füh­rung ver­bind­li­cher Qua­li­täts­kri­te­rien und einer Zer­ti­fi­zie­rung der, die Grün­der prü­fen­den, fach­kun­di­gen Stel­len könnte dies sicher­stel­len und zugleich Miss­brauch und Mit­nah­me­ef­fekte weit­ge­hend ver­hin­dern – mit ent­spre­chen­den Ein­spar­po­ten­zia­len.

Auf der Web­seite des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Arbeit heißt es wört­lich: „Exis­tenz­grün­dungs­för­de­rung gehört seit vie­len Jah­ren zu den erfolg­reichs­ten Instru­men­ten der Arbeits­markt­po­li­tik“. Bitte hel­fen Sie mit, die­ses wirk­same Instru­ment zu bewah­ren und in sinn­vol­ler Art und Weise wei­ter­zu­ent­wi­ckeln, indem Sie das Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren im Aus­schuss für Arbeit und Sozia­les bera­ten und ent­spre­chend pra­xis­nah modi­fi­zie­ren.

Mit den bes­ten Grü­ßen

Stand: 17.08.2011